29. Januar 2024 - Badische Zeitung
Narren in Lahr-Reichenbach lassen es fast fünf Stunden lang krachen
Der 63. Zunftabend der Schergässler am Samstag in der Geroldseckerhalle ist ein erster Höhepunkt in der Fasentkampagne 2024 gewesen. Das Baronspaar Florian I. und Linda I. hat die Regentschaft bis Aschermittwoch übernommen.
Fasnacht ist ein Lebensgefühl – und was für eines! Das haben etwa 100 Akteure unter Beweis gestellt. Vor mehr als 500 Zuschauerinnen und Zuschauern wurde eine fulminante Bühnenschau mit Klamauk, Musik, Tanz und geschliffenen Bühnenreden zelebriert, sodass die "Fremdensitzung", wie der Zunftabend früher hieß, in der Geroldseckerhalle zum närrischen Feuerwerk der Schergässler wurde. Die Protagonisten ließen es fast fünf Stunden auf der Bühne der Geroldseckerhalle so richtig krachen. Ein Dutzend Auftritte im bunten Häs sorgten für gute Laune im närrischen Publikum, das mit Beifall nicht geizte. Die gut gelaunten Akteure servierten Fasent-Kracher im Minutentakt und bewiesen mit ihren geschliffenen Büttenreden, dass auch das Wort zur fünften Jahreszeit Gewicht hat.
Das bis Samstag am besten gehütete Geheimnis im Narrendorf wurde ebenfalls gelüftet: Das Baronspaar heißt Florian I. und Linda I. (Linda Bottner und Florian Schillinger) und wird bis Aschermittwoch das Zepter in der Narrenhochburg schwingen. Oberzunftmeister Thomas Fischer und Vize Armin Furtwängler führten mit launigen Worten durchs Programm. Mit fetziger Musik der "Stinktiere", die eigentlich "Skunks A.T." heißen, wurde dem närrischen Publikum eingeheizt. Flotte Tänze der Minis und Maxis sorgten zum Thema "Schule der magischen Tiere" für Bewunderung. Der "Narrensamen" wirbelte 22-fach über die Bühne, während die Maxi-Minis sich der Musik und dem Lebensstil der 90er-Jahre widmeten, um dem Publikum zu gefallen. Auf der Showbühne durften auch die Blödelbarden vom Buurequartett nicht fehlen, die nach der Büttenrede von "D‘Jung" in Fahrt kamen und erste Zugaben auslösten. Von "Margarita Italiano" bis zum Gassenhauer "Keine Zwiebel im Wurschtsalat" war alles geboten, was zum deftigen Frohsinn gehörte. Der erste Funke ins Publikum sprang über.
Mit viel Humor verpackt kamen die Neuen daher, die längst "alte Hasen" im närrischen Gewand sind und als Kaminfeger einmal mehr eine Supershow über den Dächern von Reichenbach ablieferten. Neue Texte und altbekannte Ohrwürmer lieferten Thomas Fischer und Jürgen Glatz, während die anderen Kaminfeger mit ihren Leitern dafür sorgten, dass bei ihren Blödeleien auf dem Dachstuhl kein Auge trocken blieb. Dass Klamauk in ihren Genen liegt, bewies die erfahrene Truppe als Fasentkinder.
Gehörig seine Meinung geigte der Lahrer Hinkende Bote, dargestellt von Rolf Hügel, dem närrischen Volk. Mit kritischer Analyse kam er auf einem Bein daher, begutachtete die politischen Geschehnisse und bewies als Kalendermann, dass es ihm immer wieder gelingt, dem Volk den Spiegel vorzuhalten. Die politische Galionsfigur am Schutterstrand nahm die Strategen von Kommune, Kreis-, Landes- und Bundesebene aufs Korn, von denen etliche Ehrengäste im Saal saßen. Als gesanglicher Leckerbissen mit viel Esprit in der Bütt zogen Tanja Mühlhaus und Tochter Larissa das Publikum beim "Närrischen Jahresrückblick" in ihren Bann. Das stimmgewaltige Duo performte mit treffendem Wort und perfektem Gesang. Zur Belohnung gab es Zugaben im Raketenwirbel des Publikums. Franz Beckenbauer hätte seine Freude daran gehabt, wie "Drei Freunde" (Mutter und Tochter Mühlhaus, Rainer Kammerer) für einen besonderen Hörgenuss sorgten. Statt der "Tratschwiiber", die in der Vergangenheit alles und noch mehr vom Ort wussten, feierte das Duo Daniel Fehrenbacher und Dominik Gyssler Premiere. "Zwei Richebacher packe us", nannten sie das Spiel, das sich an einer Burger-Bude auf dem Lindenplatz abspielte und bei dem mit Witz und Humor das Dorfgeschehen glossiert wurde. Ob große oder kleine Politik, Witze in der Bütt oder auf närrischer Bühne – die Themenvielfalt wurde beim Zunftabend noch einmal beim großen Finale sichtbar.
18. Januar 2024 - Badische Zeitung
Reinhard Pelzer aus Reichenbach ist der Haus- und Hoffotograf der Schergässler
Reinhard Pelzer aus Reichenbach ist ein ziemlich beliebter Paparazzo: Er fotografiert seit 12 Jahren für die Schergässler. An einem Fasnachtsfreitag hat er seine Liebe für die Narretei entdeckt.
Reinhard Pelzer ist seit 12 Jahren der Haus- und Hoffotograf der Schergässler in Reichenbach.
Wenn es um die Narretei am Schutterstrand geht, versteht Reinhard Pelzer keinen Spaß. Was ihm vor die Linse kommt, wird für die Ewigkeit festgehalten. Auftraggeber ist die Fasentzunft. Denn der gelernte Koch im Ruhestand ist Haus- und Hoffotograf der Schergässler. Da ist der "Hobby-Knipser" ganz für die Schergässler und die Dorffasentgruppen im Einsatz. In der fünften Jahreszeit kommt beim Reichenbacher Hobbyfotografen die Tier- und Landschaftsfotografie zu kurz. Da ist Reinhard Pelzer mit seinem Rucksack unterwegs, in dem die verschiedensten Kameras und Objektive "schussbereit" aufbewahrt werden. Seltene Vögel oder andere Tiere, auf die Pelzer seine Objektive richtet, müssen warten, bis sie wieder an der Reihe sind. Das ist frühestens am Aschermittwoch.
Der gebürtige Korker, der seit seinem 15. Lebensjahr Koch im In-und Ausland war, hat früh seine Liebe für Küche und Herd entdeckt. Nach Stationen in Bad Peterstal war Pelzer als Koch auch in Ibiza im Einsatz. Er war in Häusern in Offenburg und Ödsbach, um sich 1980 auf dem "Deutschen Kaiser" in Reichenbach selbständig zu machen. Daraus wurden zwölf Jahre (1980 bis 1992). Danach war er noch Küchenleiter in einer Reha-Klinik. Er beteuert, damals nichts mit der Fasent am Hut gehabt zu haben. Dann entdeckte Pelzer die Landschafts- und Tierfotografie, deren Ergebnisse er vielfach schon der örtlichen Presse einschickte. Schauproben seiner Lieblingstiere, meist mit dem Teleobjektiv eingefangen, hängen in seinem Büro in der Reichenbacher Fliederstraße.
An einem Fasnachtsfreitag, so erzählt er, entdeckte er die Liebe für die Narretei und für seine Manuela. Es war der 13. Februar 1982. "Das war mein Glückstag", sagte der heute 72-Jährige. Manuela hieß damals noch Singler und war in der fünften Jahreszeit in Reichenbach närrisch unterwegs. "Meine Heimat waren die Hoorigel", beschreibt die Ehefrau beim Gesprächstermin, einer Tasse Kaffee und selbstgemachtem Streuselkuchen ihre eigenen närrischen Aktivitäten am Schutterstrand. Sie war mit der Fasentgruppe der Hoorigel über vier Jahrzehnte aktiv. Das seien meist Frauen der Ringer aus Reichenbach und dem Schuttertal gewesen. Erst in diesem Jahr habe die Dorffasentgruppe der Hoorigel Schluss gemacht damit, an Umzügen teilzunehmen oder als Fasentgruppe auf die Gasse zu gehen. "Wir treffen uns aber nach wie vor", so Manuela Pelzer.
"Die Narren im Dorf liefen mir erst spät vor die Linse", sagte Pelzer, der 2011 erstmals das Baronspaar Sabine und Klaus Maier fotografierte und seither alles digital festhielt, was mit der Fasent in Reichenbach zu tun hatte. "Reinhard ist unser Hoffotograf und in den närrischen Tagen in der Zunft nicht mehr wegzudenken", sagt Oberzunftmeister Thomas Fischer von den Schergässlern, der sich auf seinen "Paparazzo" verlassen kann und am Ende der Kampagne sicher weiß, dass jede närrische Regung, jeder Auftritt vom Zunftabend über das Narrenbaumstellen, den Rathaussturm bis zu den Aktivitäten in der Schergass für die Ewigkeit festgehalten werden.
Mit Spannung sieht Pelzer dem Zunftabend der Schergässler am 27. Januar in der Geroldseckerhalle entgegen. Kurz nach halb acht Uhr hat er seinen Fotoapparat auf die Eingangstür in der Halle gerichtet, wo er mit 500 Gästen auf das Baronspaar der aktuellen Kampagne warten wird. Wer das sein wird, weiß der Hoffotograf selbst nicht. 2020 war Pelzer beim Einmarsch des Baronspaars so überrascht, dass er vergaß, auf den Auslöser zu drücken. Er sah nämlich, was er zuvor nicht wusste: Dass Tochter Katrin und Schwiegersohn Markus als Baronspaar in die Geroldseckerhalle einmarschierten. "Das war ein Schock für mich", sagt Pelzer vier Jahre später. Das bestgehütete Geheimnis will Pelzer in diesem Jahr auf keinen Fall verpassen. Auch bei allen anderen Aktivitäten der Narren am Schutterstrand will er auf der Hut sein. Die besten närrischen Motive will er auf jeden Fall einfangen.
20. Februar 2023 - Badische Zeitung
Die alten Waggili sind zum letzten Mal beim Fasnachtsumzug in Lahr-Reichenbach dabei
Die Waggili aus Reichenbach fahren seit einem halben Jahrhundert bei vielen Anlässen durchs Dorf. Am Sonntag bimmelt die alte Garde zum letzten Mal. Dann übernimmt die jüngere Generation.
Zwei Generationen arbeiteten beim Aufbau des Bähnles, das beim Reichenbacher Umzug nicht fehlen darf. Foto: Wolfgang Beck
Das Bähnle ist seit einem halben Jahrhundert der krönende Abschluss jedes Fastnachtsumzugs in Reichenbach. Hinter der Idee stecken neben vielen Vorgängern die Waggili, die mit geschwellter Brust, zünftiger Uniform und Mütze auf dem grünen Gefährt durch den Ort tuckern. Die Vorgeschichte von Waggili und Bähnle reicht bis in die 1960er-Jahren zurück. Angefangen habe alles mit 20 Jugendlichen, erzählt Capochef Albrecht Herr. Die Gruppe nahm als Hexen verkleidet am Fasentumzug in Reichenbach teil. Einige Jahre später löste sie sich auf.
Die Personen, die dann eine neue Gruppe auf die Beine stellten, aber dafür noch keinen passenden Namen hatten, waren Josef Disch, Walter Gyssler, Albrecht Herr, Rolf Hertenstein, Jimmy Himmelsbach, Karlheinz Rappenecker, der bereits verstorben ist, Manfred und Willy Singler sowie Albert Volk. Später sind Klaus Girstl, der heutige Ortsvorsteher, sowie Roland Mutschler dazu gekommen. Ihre Idee: Nach dem Vorbild von "Helau Hinterdorf" wollten sie große Umzugswagen bauen, die als Themenwagen am Fasnachtssonntag durch den Ort fahren.
1973 tauchte die Gruppe um Walter Gyssler erstmals mit einem großen Wagen beim Umzug auf und glossierte das Thema "Tempo 100 auf den Autobahnen". Sie gab sich damit nicht zufrieden. Dann begann die vor Tatendrang strotzende Gruppe sich mit dem historischen Bähnle zu befassen. Sie wusste, dass in Geiselhards Scheune Teile des Bähnle lagerten, aber lange nicht mehr bewegt worden waren. Aus der "spinnerten Idee" (Herr) wurde Wirklichkeit. Seine Kameraden erinnerten sich an ihre Kindheitstage, als eine Bahn – "Entenköpfer" genannt – schnaubend vom Ried über Lahr bis ins Schuttertal gefahren war. "Das bauen wir nach und fahren dann beim Umzug mit", lautete der kühne Plan, der aber nicht so leicht umzusetzen war. Zuerst mussten die fast unbrauchbaren Einzelteile grundlegend saniert werden. Den Traktor für die Lokomotive stiftete Otto Krämer aus Reichenbach. Etliche Einzelteile seien in dessen Scheune viele Jahre gelagert gewesen, erzählt Albert Volk. Die Malerarbeiten hatte der damaligen Reichenbacher Maler Berthold Trautwein übernommen.
1973 wurde das Bähnle erstmals auf seine Reise durch den Ort geschickt. Otto Krämer war es vorbehalten, auf dem Führersitz Platz zu nehmen. An manchen Fasnachtssonntagen fuhr das Bähnle durch die Narrenhochburg, um die Bevölkerung durch das Gebimmel der Glocke und das Geräusch der originalen Dampfpeife zu wecken. Auch der Kinderumzug am Rosenmontag war später ohne Bähnle nicht denkbar. Die Waggili konnten sich über einen Mangel an Arbeitseinsätzen für das historische Fahrzeug nicht beklagen. Daneben galt es für die Gruppe, aktuelle politische Themen, auch Figuren aus Film und Fernsehen, aufzugreifen. Sie wurden auf einem Tieflader oder als Fußgruppe im Ort präsentiert. Die Waggili waren auch bei der Fasentverbrennung dabei. Ein weiterer Höhepunkt der Waggili war 1989 die Feier zum 850-jährigen -Bestehen von Reichenbach: Mit dem Bähnle als Attraktion.
Zuvor hatten die Waggili beschlossen, das historische Bähnle von Grund auf zu erneuern – mit Originalplänen und unter fachmännischer Leitung von Zimmermeister Willy Singler. Seither sind die Waggili und das Bähnle fester Bestandteil der Fasent. Jetzt hören die älteren Waggili nach 50 Jahren auf und geben ihr Wissen an die jüngere Generation weiter. Das sind Christian Disch, Andreas Girstl, Dominik Gyssler, Sven Hertenstein, Pascal Heuberber, Simon Moser, Philipp Rappenecker und Dominik Schuhmacher. "Es geht weiter" war im Ort zu hören. "Wir haben schon gedacht, das Bähnle fährt nicht mehr", sagte Annette Baader aus Reichenbach, die vor lauter Freude den Waggili Kuchen und Brezeln spendierte.