03. März 2014 - Badische Zeitung:

Wie ist es eigentlich ein Fasentnarr zu sein? (Teil 3)

"Es geht Schlag auf Schlag"

Günter Singler als „Auswanderer“ bei der Dorffasent in der Hall. Links Ehefrau Martina, rechts Schwester Martina Gür, beides Schierbeaschtler und ebenfalls als „Auswanderer“ verkleidet. Foto: Wolfgang Beck

LAHR-REICHENBACH. Günter Singler ist ein Fasentnarr durch und durch. Der 49-Jährige ist bei den Schergässlern und bei der Fasentgruppe der Schierebaschtler aktiv. Die Badische Zeitung begleitet ihn während der Fasent vom Schmutzigen Donnerstag bis zum Fasnachtsdienstag. BZ-Mitarbeiter Wolfgang Beck hat ihn bei der Dorffasent als "Auswanderer" in der Geroldseckerhalle entdeckt.

"Ich staune über meine Kondition. Doch richtige Narren wie wir Schergässler halten auch mit wenig Schlaf durch. Weicheier haben auf unserer Fasent nichts verloren. Der Samstag hat erneut alles von den Schierbaschtlern abverlangt. Vor allem bei der Dorffasent am Samstag in der Hall. Aber vor dem närrischen Vergnügen in der Geroldseckerhalle haben wir als Schergässler beim großen Umzug in Biberach teilgenommen. Bei herrlichstem Wetter haben wir in stärkster Besetzung einen bunten Farbtupfer im närrischen Lindwurm gesetzt. Wir waren um die 100 Leute, darunter die Schergässler im Häs, der Zunftrat und unser Narrensamen, es war ein herrliches Bild. Dann ging es Schlag auf Schlag weiter: Hörnerkapp runter, Schergässler-Häs raus, duschen und Herrichten fürs nächste närrische Spektakel: Wir Schierebaschtler haben uns darauf geeinigt, tief in die Kiste der Narrenkleider zu greifen. Herausgezogen haben wir für die Dorffasent in der Hall ein Narrenkleid von 2006. Da waren wir als "Auswanderer" unterwegs. In diesen Kostümen haben wir uns am Samstag unter die anderen Narren in der Geroldseckerhalle gemischt. Ich war angenehm überrascht von der tollen Atmosphäre in der Halle. Das Ambiente hätte nicht besser sein können. Treffpunkte für die Schierbaschtler gab es viele: an der Biertheke, an der Weintrotte und an der Schutterbar. Herrlich waren die alten Weinfässer, die zu Tischen umfunktioniert worden sind. Die Vereinsgemeinschaft und die beteiligten Vereine haben da ganze Arbeit geleistet. Fasziniert haben wir auf die große Leinwand in der Halle gestarrt, um uns beim Fotorückblick auf den Bildern "Fasent in Reichenbach" zu entdecken. Die Jahre sind dahingeflogen, die Fasent, das Brauchtum, der Spaß in der fünften Jahreszeit sind geblieben. Es ist einfach toll. "Auswanderer", so unser Thema, kehren gern wieder an ihre alte Wirkungsstätte zurück. Es ist schön, die vielen Reichenbacher, Jung und Alt, in den Kostümen zu sehen. Zwischen Richebacher Schutterschlurbi mit fetziger Guggemusik, Buurequartett und Maxi-Minis, die uns mit ihrem Tanz nach Venedig entführten, wird jetzt zur Musik von DJ Hörnle getanzt, was das Zeug hält. Das gibt ordentlich Kondition für den Sonntag, wenn wir nach dem Besuch in der Baronstrotte beim großen Umzug durchs Dorf ziehen. Dann sind wir wieder die aktuellen Schierebaschtler, die das kommunalpolitische Thema Landesgartenschau und Stegmattensee auf ihre Fahnen geschrieben haben. Mit viel Humor, Witz und Ironie tauchen wir da als Baggerführer auf. Den Wolfgang-See haben wir dabei. Wie immer haben wir natürlich herrliches Umzugswetter gebucht. Petrus ist eben ein Richebacher…"

01. März 2014 - Badische Zeitung:

Wie ist es eigentlich ein Fasentnarr zu sein? (Teil 2)

"Wer baggert so spät noch?"

Günter Singler Foto: Wolfgang Beck

LAHR-REICHENBACH. Günter Singler ist ein Fasentnarr durch und durch. Der 49-jährige Physiotherapeut ist in der fünften Jahreszeit aktiv bei den Reichenbacher Schergässlern und in der Fasentgruppe der Schierebaschtler. Die Badische Zeitung begleitet ihn vom Schmutzigen Donnerstag bis zum Fasentdienstag. BZ-Mitarbeiter Wolfgang Beck hat ihn in der heißen närrischen Phase als Baggerführer bei den Schierebaschtlern entdeckt.

"Mit dem Thema Wolfgang-See sind wir super angekommen. Selbst unser OB, den wir auf unserer närrischen Tour am Schmutzigen Donnerstag durch Reichenbach angetroffen haben, hat sich als Firmenchef von ’Müller-Bau’ mit uns gefreut und den Spaß der Schierebaschtler zum Stegmattensee und zur Landesgartenschau mitgemacht. Als Baggerführer kennen wir ihn vom ’Goldenen Winkel’, wie er majestätisch vor einem Jahr etwa den Spatenstich vollzogen hat. Dass er in der Linde mit unserer Persiflage über den ’Wolfgang-See’ so spontan mitgemacht hat, erlebt man nicht alle Tage. Wir sind zur Hochform aufgelaufen, den Narren im Saal hat’s gefallen. Das war einfach toll, wie wir mit zehn Baggern in Miniaturformat, in gelben Stiefeln, blauen Hosen und Helm angerückt sind, um den ’Lago di Wolfgang’ in Stegmatten auszubaggern. Im Tross zwei Vertreterinnen des ’Kies-Fördervereins’, die Kies vom See verteilten. Zum Bedauern von unserem OB hat’s dafür allerdings keinen Cent gegeben. Die wochenlangen Arbeiten in der Scheune von Thomas und Andrea Schillinger, die kurzerhand zur Werkstatt umgebaut wurde, sind der NSA und den anderen ’Spionen’ im Ort verborgen geblieben. Man muss wissen, dass keiner der zwei Dutzend Fasentgruppen, die am Schmutzigen Donnerstag im Ort unterwegs sind, vorher etwas von ihren Einfällen preisgibt. Im Getümmel der in den Lokalitäten pausenlos anrückenden Fasentgruppen haben wir unsere Kehlen mit Radler und Schorle gut geölt, um unseren Fasenthit unters närrische Volk zu bringen: "Wer baggert so spät noch am Baggerloch, das ist Wolfgang mit dem Bagger und er baggert noch." Mit nassen Bauarbeiter-Klamotten (weil es abends pausenlos geregnet hat) und leicht ramponierten Baggern haben wir um drei Uhr morgens die Kurve gekratzt. Vorbei an Hemdglunkern und Fasentgruppen, die in diesem Jahr in großem Stil viele neuen Ideen entwickelt haben. Auf einem Gruppenfoto hat uns Narren-Paparazzo Reinhard Pelzer zur fortgeschrittenen Stunde am Lindenplatz noch fotografiert. Die Nacht war kurz, versteht sich, aber ich bin natürlich für neue Späße bereit.

Für heute ist erneut Arbeitseinsatz der Schierebaschtler angesagt: Kleine Ausbesserungsarbeiten stehen an, dann werden die Bagger zu Reinhold Meier gebracht, bei dem die Requisiten für den Fasentumzug morgen am Fasentsonntag deponiert werden. Mit der Gruppe und dem gleichen Thema sind wir im närrischen Lindwurm zu sehen. Dabei setzen wir noch eins drauf: Als Fußgruppe haben wir den ’Wolfgang-See’ dabei, um den herum wir einen Strand angelegt haben. Heut verbringe ich den Ausklang mit meiner Familie in der "Linde". Bei Schnitzel und Pommes. Die Stärkung muss sein, es folgen noch harte Tage bis Fasentdienstag.

28. Februar 2014 - Badische Zeitung:

Wie ist es eigentlich ein Fasentnarr zu sein (Teil 1):

"Vom Fasent-Virus befallen"

LAHR-REICHENBACH. Günter Singler ist ein Fasentnarr durch und durch. Der 49-Jährige ist bei den Schergässlern in Reichenbach und auch bei der Dorffasentgruppe der Schierebaschtler aktiv. Die Badische Zeitung begleitet ihn während der Fasent vom Schmutzigen Donnerstag bis zum Fasentdienstag. BZ-Mitarbeiter Wolfgang Beck hat ihn im Fasenthäs beim Narrenbaumstellen auf dem Lindenplatz gesichtet.

"Jetzt ist sie endlich da, die Fasent. Das ist bei uns in Reichenbach etwas ganz Besonderes. Wir sind nicht umsonst als Narrenhochburg bekannt. Jetzt stehen wir Schergässler mit allen anderen Narren im Ort unter Strom. Seit ich denken kann, bin ich vom Fasent-Virus befallen. Als Kind habe ich miterlebt, wie in unserem Haus ein Häs ums andere entstanden ist. Mein Vater ist seit 44 Jahren der Zunftschneider der Schergässler. Da bin ich automatisch reingewachsen. Er hat mir auch für die heiße Phase das Narrenkleid auf Vordermann gebracht. Er schaut, dass keine Rüschen und Glöckchen fehlen. Weil sich die Fasent zunehmend auf der Straße abspielt, werden die Kostüme je nach Wetterlaune stark strapaziert.

Für mich ganz selbstverständlich, dass ich als eingefleischter Schergässler beim Narrenbaumstellen dabei bin. Für den besonders fachmännischen Akt haben wir unsere Spezialisten. Peter Bauer ist so ein uriger Typ. Der einstige Ringer und Zunftrat haut mit einem Schlag den Keil in die Verankerung. Dann steht der Baum wie eine Eins. Die Kindergartenkinder haben ihn geschmückt, auf dem ganz oben eine Schergässler-Puppe bis Aschermittwoch thront. Bleibt zu hoffen, dass in diesem Jahr keine Spinner uns den Baum absägen, wie schon einmal. Wenn es nachher dunkel wird, wird Leben in die Schergass einkehren. Jung und Alt trifft sich zum närrischen Treiben. Ich muss jetzt schleunigst aus dem Schergässler-Häs schlüpfen. In einer Stunde kommen zu uns die Schierebaschtler. 13 verrückte Narren an der Zahl. Meine Frau ist auch dabei. Seit über 20 Jahren sind wir mit ulkigen Themen über Fasnacht ein Hingucker. Aber Achtung: Mit uns buhlen zwei Dutzend weitere Dorffasentgruppen in Reichenbach um die Gunst des Publikums. Schnurren heißt dies in anderen Regionen. Wir haben heute ein politisches Thema auf der Pfanne. Später mehr. Wir machen die Nacht zum Tag. Bei uns am Schutterstrand geht dann die Post ab. Von der Gass geht’s ins Zunftlokal "Nörgler", von dort in die "Linde", dann zum Tauchclub Nemo, und auch im Restaurant Da Vinci schauen wir vorbei. Und danach alles in umgekehrter Reihenfolge. Überall genießen wir unsere Auftritte als Schierebaschtler. Zur Belohnung gibt‘s Hochprozentiges.

Aber Hallo: Zuerst stürmen wir das Rathaus. Mitten drin unsere Dorfgruppe. Die Rathausstürmung ist ein besonderer Höhepunkt. Wir entmachten unseren Ortsvorsteher Klaus Girstl. Der rückt freiwillig die leere Gemeindekasse raus. Mit den Narren geht’s vom Rathaus zum Hemdglunkerumzug. Auf halber Strecke scheren wir aus. Denn die letzte Lagebesprechung bei uns zu Hause steht an. Meine Frau Martina hat zur Stärkung bereits eine Narrensuppe auf dem Herd stehen. Dann hält uns nichts mehr. Dann stürzen wir als Schierebaschtler ins Getümmel …

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