07. Mai 2012 - Badische Zeitung
Thomas Fischer ist Oberzunftmeister
Als Nachfolger von Martin Meier / In der Hauptversammlung der Schergässler wurde Armin Furtwängler zum Zunftmeister gewählt.
Der Wechsel an der Spitze der Narrenzunft Schergässler ist vollzogen (von links): Der bisherige Oberzunftmeister Martin Meier, sein Nachfolger Thomas Fischer und der neue Zunftmeister Armin Furtwängler. Foto: Heidi Fössel
LAHR-REICHENBACH. Führungswechsel in der Narrenhochburg Reichenbach: Zunftmeister Thomas Fischer löste in der Hauptversammlung der Schergässler am Freitag im "Nörgler" Martin Meier als Oberzunftmeister ab. Nach 24 Jahren im Zunftrat und 12 Jahren als oberster Schergässler kandidierte Meier nicht mehr. Zum Zunftmeister wurde Armin Furtwängler gewählt.
Ovationen gab es für den scheidenden Oberzunftmeister am Freitag im Zunftlokal. Nach den Berichten über die Aktivitäten der Schergässler im 55. Jahr ihres Bestehens, zu denen Rückblicke auf Zunftabend, Jubiläumsumzug und Schergassenjahrmarkt gehörten, fiel die Bilanz von Martin Meier über die Fasnachtskampagne 2011/2012 positiv aus. "Ganz Reichenbach war ein riesiges Narrendorf", machte der Oberzunftmeister den Reichenbachern ein großes Kompliment. Meier dankte für die Unterstützung in der zwölfjährigen Amtszeit. Stabil sei die Zahl der Mitglieder.
Als "Meisterleistung" bezeichnete er die Anfertigung von 7000 Wimpeln in Handarbeit zur neuen Straßendekoration, die unter der Federführung von Pius Wilhelm, Josef Singler und weiteren Helfern zustande gekommen war. Die Höhepunkte der Fasnachtskampagne wurden zur Erfolgsbilanz für den scheidenden Oberzunftmeister: Dazu gehörte ein ausverkaufter Zunftabend mit heimischen Akteuren, der grandiose Auftritt des Buurequartetts beim Närrischen Ohrwurm, ein gut besuchter Schergassen-Jahrmarkt und die personelle Weichenstellung der Schergässler zum Wunschkandidaten Thomas Fischer, der ebenso einstimmig gewählt wurde wie Armin Furtwängler.
Zuvor belegten die Tätigkeitsberichte, warum Reichenbach als Narrenhochburg bezeichnet wird. Die einzelnen Aktivitäten listete Monika Schmidt auf. Neue Impulse steuerte die Hästräger-Tanzgruppe mit Beate Maier und Tanja Stürmer bei, die mit den Hästrägern als Piraten beim Zunftabend begeisterten. Viel investiert wurde in die Jugendarbeit, wie Katja Bohy berichtete. Vorzeigbar sei der Narrensamen, der aus 45 Mini- und Maxi-Hästrägern besteht und als hoffnungsvoller Nachwuchs eingestuft werden könne. Zum positiven Rückblick auf die vergangene närrische Kampagne gehörte auch der Kassenbericht von Rechnerin Petra Christmann. Der schloss mit einem kleinen Überschuss ab.
Thomas Fischer gab bekannt, den von Oberzunftmeister Meier eingeschlagenen Weg in der Fasentzunft fortzusetzen. Erste Schwerpunkte sollen bei der Renovierung des Zunftlokals gesetzt werden. Außerdem wollen die Schergässler die Hausfassade erneuern. Dafür soll die Spende des E-Werks Mittelbaden über 2 500 Euro verwendet werden, die vor der Hauptversammlung an die Verantwortlichen der Zunft übergeben wurde.
04. Mai 2012 - Badische Zeitung
Neue Impulse für die Fasent
OZM Martin Meier beschritt mit der Straßennarretei neue Wege / Heute gibt er sein Amt auf.
Abschied vom Amt: Martin Meier / Foto: W. Beck
LAHR-REICHENBACH. Zwölf Jahre lang hat Martin Meier als Oberzunftmeister die Fasent in Reichenbach geprägt. 24 Jahre war er aktives Zunftratsmitglied der Schergässler. Heute, Freitag, 20 Uhr, wird er in der Hauptversammlung im Nörgler aus der Verantwortung verabschiedet. Meier bleibt aber den Schergässlern als einfacher Hästräger erhalten. Als sein Nachfolger wird Zunftmeister Thomas Fischer vorgeschlagen.
Die organisierte Fasnacht am Schutterstrand hat Martin Meier ein Dutzend Jahre als Oberzunftmeister an vorderster Front mitbestimmt. Im Jahr 2000 löste er Ernst Fehrenbach ab. "Ich bin in die Fasnacht hineingewachsen", sagt der 44-Jährige angesichts der Tatsache, dass er bereits 1988 in den Zunftrat berufen wurde und zuvor acht Jahre lang als Hästräger aktiv gewesen war. "Es war in der Zunft die Zeit des Umbruchs", sagt der gelernte Industriekaufmann im Rückblick. Unvergessen bleiben für Meier das Vogteitreffen und die erste Fasnacht als Zunftrat 1989. Über 3000 Hästräger seien damals nach Reichenbach gekommen. "Das war bisher der größte Umzug in der Vereinsgeschichte", erinnert sich Meier. Als ein weiterer Höhepunkt bleibt beim scheidenden OZ, wie der Boss in der Zunft genannt wird, das Jahr 1990 in Erinnerung: Das Baronspaar hieß damals Martin Meier und Andrea Hättig. Weil die Fasnacht im Jahr 1991 wegen des Ölkriegs ausfiel, musste Meier als Baron nochmals ran. In den Folgejahren engagierte sich Meier im Zunftrat, war beim Wirtschaftsdienst an der Theke ebenso zu finden wie als Schriftführer bei Versammlungen.
Im Jahr 2001 übernahm er das Szepter als oberster Schergässler und brachte sich auch mit neuen Ideen ein. "Fasnacht ist ein Spagat zwischen Tradition und Moderne", sagt er zur Entwicklung der Narretei. Als entschiedener Gegner der Techno-Fasnacht pflegte er das Brauchtum. Sichtbares Zeichen war die Anschaffung eines neuen Ornats in den Zunftfarben blau und gelb. Dass die Hallenfasnacht früherer Prägung schon lange vorbei ist, weiß Meier. Hier beschritt er mit der Straßenfasent neue Pfade. Dafür war die Schergass‘ (Alte Landstraße) samt Zunftlokal Nörgler wie geschaffen. Unter seiner Regie wurden die Schergassenjahrmärkte im Abstand von nur drei Jahren organisiert. "Das hebt uns als Narrenhochburg von anderen ab," betont er. Zur Jubiläumskampagne 2012, als die Zunft das 55-jährige Bestehen feierte, wurden unter seiner Initiative neue Fähnchen über der Straße aufgehängt. Mit Bedauern vermerkt der scheidende OZ, dass sich in den vergangenen Jahren die Zahl der Aktiven von 130 auf 90 Mitglieder reduziert hat. Erfreulich dagegen: Der Narrensamen entwickelt sich prächtig. Insgesamt 50 Kinder und Jugendliche gehören den Mini- und Maxi-Hästrägern an.
Auch als Botschafter des alemannischen Brauchtums im Ausland erwies sich die Zunft unter der Regie von Martin Meier. 2007 reisten 100 Narren mit weiteren Vertretern des Verbandes Oberrheinischer Narrenzünfte und dem Musikverein Reichenbach zur deutsch-chinesischen Wirtschafts- und Kulturwoche nach China. "Dort präsentierten wir unser Brauchtum in der chinesischen Millionenstadt Ningbo", erzählt Meier rückblickend.
18. Februar 2012 - Badische Zeitung
Das Häs aus der Nähstube des Profis
MENSCHEN UND MASKEN: Josef Singler näht für die Reichenbacher Schergässler schon seit 42 Jahren die Narrenkleider.
Der gelernte Schneider Josef Singler an seinem Arbeitsplatz Foto: Wolfgang Beck
LAHR-REICHENBACH. Über die Fasenttage stellt die BZ Akteure aus der Region vor, die vor und hinter den närrischen Kulissen aktiv sind. Heute: Josef Singler aus Reichenbach, der seit vier Jahrzehnten die Häs für Schergässler schneidert.
Wie viele Narrenkleider Josef Singler in den vergangenen 42 Jahren für die Schergässler-Zunft genäht hat, weiß der gelernte Schneider nicht mehr. "Vermutlich mehrere Hunderte", überschlägt der Vater der amtierenden Baronin Michaela I., die am Donnerstag an der Seite ihres Mannes, Baron Heiko I., die Fasent in Reichenbach eröffnet hat. Monate vor dem närrischen Großereignis zwischen Lindenplatz, Ortsverwaltung und Schergass’, dem Schergassen-Jahrmarkt, rattern die Nähmaschinen von Sepp Singler in den Fronmatten. Zuweilen bis Mitternacht. Je nach Stoff- oder Filzmaterialien sind in der Werkstatt gleich mehrere Maschinen im Einsatz. Den Übernamen "Beton-Schnieder" haben die Reichenbacher dem Rentner gegeben, weil er als gelernter Schneider einige Jahre in der Bau- und Betonfirma Glatz gearbeitet hat. Das ist lange her.
Besonders aktiv wird Singler in der Narrenhochburg Reichenbach in der fünften Jahreszeit. Da ist der Schneider unersetzlich. Vor dem Jubiläums-Umzug vor knapp drei Wochen waren es Tausende neuer Spättle, die Singler zur Verschönerung des Dorfbildes genäht hat. "Da haben mir viele geholfen", erzählt Singler von seiner Lieblingsbeschäftigung. "1970 hat alles angefangen", erzählt Singler, der es seinen früheren Arbeitgebern und Fasentaktiven Hanni und Otto Glatz einfach nicht abschlagen konnte, sich als Schneider für die Zunft nützlich zu machen. Wenn die Schergässler heute in ihrem tiefblauen Häs, weißer Hörnermütze, geschnitzter Holzmaske und gelben Scheren durch das Dorf springen, dann kann davon ausgegangen werden, dass Rock und Jacke einschließlich der Rüschen an Singlers Nähmaschine entstanden sind.
Auch Ausbesserungen am Häs sind das Ding des gelernten Schneiders, der aus Schweighausen stammt, in Dörlinbach in die Lehre ging und neben seiner Beschäftigung auf dem Bausektor größtenteils in seinem Schneider-Metier im Einsatz war. Das war im Modehaus Gallehr in Lahr, bei Wacker in Reichenbach und auch bei der Bereitschaftspolizei. Dort war Sepp Singler für die Uniformen zuständig. Insgesamt 22 Jahre war die Bepo Singers Arbeitgeber, bis er in Rente ging.
Mit den Schergässlern ist Josef Singler fast ein halbes Leben lang verbunden. Zwei seiner Kinder, Günter und Michaela, sind ebenfalls vom Schergässler-Virus befallen. Auch kurz vor der heißen Phase am Schutterstrand geht dem 74-Jährigen die Arbeit nicht aus. So wartet das Häs seines Sohnes auf die fachmännische Arbeit des Vaters. "Das sieht ja wieder schlimm aus", schimpft Singler über das ausgefranzte Beinkleid, das mit einem geübten Blick und schnellen Nadelstichen ausgebessert wird. Bleibt zu hoffen, dass die Narrenkleider der Enkelkinder bis Aschermittwoch halten. Für Anna-Lena (14) und Adrian (11), die beiden Kinder von Günter und Martina Singler, hat der Opa schon vor Jahren ein Schergässler-Häs genäht.