17. Februar 2012 - Badische Zeitung
Die Flut lähmte die Fasent
Die Katastrophe in Hamburg heute vor 50 Jahren hat sich auch in Reichenbach ausgewirkt.
LAHR-REICHENBACH. Sie haben die Fasnacht in Reichenbach geprägt wie keine andere Narrenformation: Gemeint sind die Reichenbacher Dorfspatzen. Auf ihre Initiative gehen die Zunftabende in Reichenbach zurück, für die sie dichteten und komponierten, was das Zeug hielt. An Fasnacht 1962 zogen sie durch den Ort, weil der Umzug wegen der Flutkatastrophe in Hamburg ausfiel. Und die Spatzen sangen und sammelten für die Flutopfer.
Die Sturmflut in Hamburg, heute genau vor genau 50 Jahren, lähmte auch das närrische Geschehen in Reichenbach. "Der Zunftabend wurde verschoben, alle Umzüge abgesagt", erinnert sich Gerd Merz, der Spatzensänger der ersten Stunde an die Hochwasserkatastrophe. Die Dorfspatzen fieberten ihrem großen Zunftabend am 17. Februar 1962 im Adlersaal entgegen. "Doch daraus wurde nichts", erzählt Merz. Die Flutkatastrophe schockte ganz Deutschland. An Narretei war an jenem Freitag nicht zu denken, so Merz, als ein Sturmtief nach dem anderen über die Nordsee fegte, das Wasser über die Dämme schwappte. 315 Tote und viele tausend Obdachlose waren zu beklagen. Der Zunftabend wurde deshalb um eine Woche verschoben.
Gerd Merz wurde an jenem Abend als "Bundesschreiner" in die Bütt geschickt. "Ich musste hobeln, kitten und leimen, was das Zeug hielt", erinnert er sich. Als Ehrengast war MdB Fritz Rinderspacher im Saal. In seiner kurzen Ansprache habe der Sozialdemokrat die Lacher auf seiner Seite gebracht, als er ironisch auf die "Dorfgeschichte" einging, die damals die Reichenbacher in zwei politische Lager spaltete. Mit dabei auch Bürgermeister Ferdinand Müller als Vogt Ferdi und der gesamte Elferrat der Schergässler. Danach seien dann die Reichenbacher Dorfspatzen aufgetreten. Moritz Beck, Hubert Dold, Waldemar Fieß, Kurt Isenmann, Gerd Merz, Gottfried Rappenecker, Hubert Stöhr, Berthold Trautwein, Max Uhl und Albert Weiß hießen die Akteure, die als Parodiensänger nicht mit Kritik an lokalen Ereignissen sparten. Die Fasentlieder, die Albert Weiss 1962 getextet und komponiert hatte, drehten sich um die Mondfahrt und den Mauerbau.
"Komplett abgesagt wurden die Straßenumzüge", blickt der Spatzengründer auf die Ereignisse in Hamburg zurück. Spontan hatten sich die Spatzen damals allerdings entschlossen, auf einem Wagen durchs Dorf zu ziehen, zu singen und für die Flutopfer zu sammeln. 1200 Mark seien zusammengekommen, erinnert sich Merz rückblickend. "Die Spende kam von Herzen", sagt der Spatzensänger, der heute mit seinen Kollegen während des Schergassenjahrmarkts ein Spatzennest eingerichtet hat.
14. Februar 2012 - Badische Zeitung
"Wir sind Ohrwurm"
Fans aus Reichenbach und Sulz haben den Erfolg des Buurequartetts in Stockach kräftig gefeiert.
LAHR-REICHENBACH/ STOCKACH. "Wir sind Ohrwurm." 50 Fans aus Reichenbach und Sulz sind am Sonntag in der Jahnhalle in Stockach außer Rand und Band, als das Buurequartett beim SWR-Finale des "Närrischen Ohrwurms" die Siegertrophäe in den Händen hält. "Zum Reinbeißen" demonstriert Mirko Sahl sein Glück bei der Siegerehrung, das er mit Timo Haag, Patrick Bohy und Daniel Moser teilt. Das Quartett hat sich unter 13 Mitbewerbern mit dem Titel "Mir läbe nur einmol" souverän an die Spitze gesetzt. Die Jahn-Halle kocht: Die 14 Musikgruppen im Wettbewerb des "Närrischen Ohrwurms 2012" glänzen mit klasse Leistungen. "Alles selbst getextet und komponiert", lobe die Jury mit Hansi Vogt, Ursula Cantieni und Harald Wohlfahrt die musikalischen Akteure vom Bodensee bis in die Pfalz. Auf Nummer zehn startet das Buurequartett aus Reichenbach. Nach ihrem letztjährigen Hit "Ja, unsre Küh‘ im Stall" und dem zweiten Platz packen die Lokalmatadore aus Reichenbach nun einen weiteren Ohrwurm aus dem Gepäck. "Mir läbe nur eimol" zündet auf Anhieb und steckt sogar die Fans der Mitkonkurrenten an. Schlag auf Schlag folgen Fasentkracher auf Fasentkracher. Wie aufgescheuchte Hühner rennen die mitgereisten Fans aus der Halle, um sich am Handy die Finger wund zu telefonieren. Mit stoischer Ruhe wählten Oberbürgermeister Wolfgang Müller und der im Fanbus mitgereiste Ortsvorsteher Klaus Girstl die Rufnummer mit der Endziffer zehn. Handyfreaks bringen es auf 50 Anrufe und mehr. Kurz nach 17.30 Uhr werden die Telefonleitungen geschlossen, der Adrenalinspiegel schnellt bei Fans und Musikern in die Höhe. Was wird die TED-Abstimmung bringen? Wer wird den Titel diesmal holen? SWR-Moderatorin Sonja Faber-Schrecklein hat vor laufenden Kameras alle Hände voll zu tun, den Überblick zu bewahren. Die Spannung steigt, als die drei Erstplazierten, darunter auch das Buurequartett, auf die Bühne kommen. Dann die erlösende Nachricht, die im Jubel der Halle fast untergeht: Das Buurequartett ist Sieger, auf dem Bildschirm eingeblendet 20,89 Prozent der abgegebenen Stimmen.
Karle, Friedl, Duni und Sepp liegen sich in den Armen, knutschen die Juroren und können es kaum fassen, die Siegertrophäe und eine Siegprämie von 5000 Euro in Händen zu halten. "So sehen Sieger aus", kreischen die Musiker und die Fans im Bus auf der Rückfahrt nach Reichenbach.
Dort, vor der "Linde" dann ein unbeschreiblicher Empfang für die "Helden von Stockach": Der Spielmannszug Lahr-Seelbach spielt auf, Schergässler, Baronpaar, Zunfträte und zahlreiche Reichenbacher begrüßen die vier Buure und fallen sich in die Arme. Glückwünsche und Schulterklopfen: "Wir sind stolz auf euch", klingt es aus der Menge. Dann geht die Party im Lindensaal weiter.
06. Februar 2012 - Badische Zeitung
Brauchtum, Spaß und Heiterkeit
Auch im 55. Jahr der Schergässler hat es beim Zunftabend Hochkarätiges in der Bütt und auf der Bühne gegeben.
In Reichenbach geht es rund: Showtanz der Schergässler / Foto: Wolfgang Künstle
LAHR-REICHENBACH. Ein Feuerwerk närrischen Frohsinns haben die Reichenbacher Schergässler beim 51. Zunftabend am Samstag in der Geroldseckerhalle entfacht. Hochkarätiges in der Bütt und auf der Bühne riss 600 begeisterte Besucher von den Stühlen. Brauchtum, Spaß und Heiterkeit bestimmten das Programm im 55. Jahr der Fasentzunft.
Ehrenmützenträger Helmut Dold und Oberzunftmeister Martin Meier führten durch das vierstündige Programm. Dem Narrenvolk bot die Zunft mit ihren zahlreichen Aktiven aus den eigenen Reihen die ganze Bandbreite närrischen Frohsinns: Stimmungsraketen am Fließband, tosender Beifall und reichlich Zugaben bestätigten einmal mehr, dass Reichenbach zu den Narrenhochburgen der alemannischen Fasnacht zählt.
Von der Zunftabendband Skunks musikalisch flott gemacht, lüfteten die Schergässler nach dem Einmarsch das bis dahin bestgehütete Geheimnis am Schutterstrand: Michaela und Heiko Lauer heißt das Baronspaar, das bis Aschermittwoch das Zepter schwingt. Vor ihren Augen und denen der Politprominenz im Saal hieß es dann Bühne frei für ein Zunftprogramm, zu dessen Gelingen auch der Schergässler-Nachwuchs beitrug. Der Tanz der Mini-Minis und der Maxi-Minis war eine bühnenreife Leistung. "Nordpol trifft Südpol" war das Motto der Kleinsten, die in hübschen Kostümen als Pinguine und Eisbären über die Bühne watschelten und sich mit den Eskimos choreografisch verbündeten. Vom Eisbären-Rap der Minis war es ein Sprung zu den Maxis, die als Tänzerinnen das Publikum in die Welt der Filmmusik entführten.
Mit "Saturday Night Fever" und "Flash- Dance" vermittelten die jungen Showgirls einen Hauch von Glitzer und Glamour. Schlag auf Schlag ging es weiter im närrischen Programm, in dem die Richebacher Tratschwieber, die es faustdick hinter den Ohren hatten, nicht fehlen durften. Über das Neueste vom Schutterstrand wussten Paula und Marie zu berichten. Keiner blieb verschont, wobei sich Einheimische wie "Hergloffene" wunderten, wie viele Fettnäpfchen zwischen Rathaus, Schule und Kirche aufgestellt waren.
Wenn sich das geschliffene Wort in der Bütt mit Live-Musik und wohlklingendem Gesang verbindet, ist Tanja Mühlhaus nicht weit. Für die mit viel Talenten ausgestattete "Lady Fasent" wurde der närrische Jahresblick auch im 23. Jahr zum Markenzeichen ihrer Polit-Show, bei der sie musikalisch von Rainer Kammerer begleitet wurde. Nach der kritischen Retrospektive mit Herz und Verstand zog das Buure-Quartett die Aufmerksamkeit auf sich: Die Band vom Schutterstrand sang mit Witz und eigenen Kompositionen über Kuhstall, Bibiliskäs und Riwwerli-Hose und erntete dafür viel Beifall. Den hatte auch der Lahrer Hinkende Bote alias Rolf Hügel auf seiner Seite. In geschliffenen Worten hielt er den Zeitgenossen den Spiegel vor. Als Meister der Verbalattacken sparte der "Mahner von Anstand und Sitte" nicht mit Seitenhieben auf Politik und Wirtschaft. Im Sturm eroberten danach die Schergässler-Hästrägerinnen als gefährliche Piraten die Narrenbühne. Nach ihrem fulminanten Showtanz waren es die Neuen, die in alter Besetzung für viel Spaß und Comedy auf einem Kreuzfahrtschiff auf der Schutter sorgten. Komik und Parodien an Bord wechselte ab mit herzerfrischen Melodien zur Fasnacht, die Kapitän Jürgen Glatz und der Erste Offizier Thomas Fischer anstimmten.